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Der Anfang vom Ende: Ein Ex-Spieler berichtet

„Es war, als hätte mich eine Hand reingezogen!“

Vom wohlhabenden Bäcker zum Buh-Mann der Nation. Rudolf* erzählt, wie die Glücksspielsucht sein Leben veränderte und wie er trotz eines schweren Schicksalsschlags den Weg zu sich selbst gefunden hat.

Wie lief Ihr erster Besuch im Kasino ab?
Vor etwa 25 Jahren habe ich zum ersten Mal ein Kasino betreten. Dort setzte ich nur auf Geburtstagsdaten. Ich habe lauter Hunderter gesetzt. Ein Wahnsinn war das. Nach vier Stunden bin ich mit plus-minus Null wieder hinaus. Ich hatte mich gefreut – es war zwar nichts gewonnen, aber auch nichts verloren. Am nächsten Abend bin ich wieder hin und habe 800 DM gewonnen. Da dachte ich mir: „Menschenskind, das ist ja gar nicht so schlecht, das läuft ja!“ Am dritten Abend bin ich wieder hin und habe 15.000 DM gewonnen! Und das war der Anfang vom Ende. An diesem Tag bin ich spielsüchtig geworden.

 

Den Gewinn behalten war keine Option?
Klar, da hätte ich eine Urlaubsreise nach Hawaii machen können oder sonst was! Aber nein, die Hälfte von dem Geld habe ich am nächsten Tag mitgenommen und sofort verspielt. Die Idee, das Geld zu behalten, ist mir gar nicht gekommen. Ich dachte mir, dass ich am nächsten Tag wieder 15.000 DM gewinne. Dieser Glücksumstand, dass ich einmal so viel gewonnen habe, war der Auslöser dafür, dass es danach nur noch bergab ging. Wahrscheinlich kann man so etwas nur nachvollziehen, wenn man es selbst erlebt? Ja, jemand, der nicht spielsüchtig ist, kann nicht begreifen was da in einem vorgeht. Aber so ist es bei einem Spieler: Erst war die Hälfte von dem Geld weg und in den darauffolgenden drei Tagen habe ich noch den Rest verspielt, sodass alles weg war.

 

Danach haben Sie nur noch verloren?
Gewonnen, verloren, gewonnen, verloren, so ging es immer weiter. Ich konnte nie aufhören, ich musste immer weiter machen. Deshalb war die Spielsucht auch so schlimm bei mir – ich musste am gleichen Tag immer alles raushauen. Auf jeden Fall war dann bald einmal kein Geld mehr da, obwohl ich ganz gut verdient habe. Als ich dann ohne viel Aufwand eine Bäckerei übernehmen konnte, hatte ich wieder jede Menge Einnahmen, die ich aber wieder zum Spielen verwendet habe.

 

Hätte Sie eine glückliche Beziehung vor Ihrer Spielsucht bewahrt?
Vielleicht hätte dann jemand auf mich aufgepasst und es hätte mir innerlich nicht an so viel gefehlt. Nach einiger Zeit hatte ich eine Freundin, die auch zu mir gezogen ist. Da war ich aber schon zu weit in der Spielsucht drinnen und sie hat das Ganze gewissermaßen auch noch unterstützt. Sie hat mich nicht davon abgehalten und ist mit ins Kasino gefahren. Selber gespielt hat sie nicht, aber sie hat meine Sucht wohl aus Liebe toleriert.

 

Wie ging es dann weiter?
Ich musste nach und nach alle Angestellten entlassen, weil ich das ganze Geld verspielt hatte. Das ist wie ein Gesetz des Spiels. Im Endeffekt stand ich nach sechs Jahren mit dem Lehrling alleine in der Backstube und meine Freundin hat vorne im Laden gearbeitet. So konnte ich dann zwar über mehr Geld verfügen, aber ich war körperlich und geistig am Ende. Die Bäckerei habe ich dann 1998 aufgegeben und anschließend von Sozialhilfe gelebt. Damit bin ich mehr schlecht als recht zurecht gekommen. Meine damalige Freundin hat mich dann beim Kasino sperren lassen. Das war erstmal ein guter Ansatz, aber ich hatte als Sozialhilfeempfänger kein Geld übrig. Und dann ging es los mit den Automatenspielen, weil man da auch mit geringem Einsatz setzen kann.

 

Wie fühlten Sie sich beim Spielen?
Das war enorm spannend! Wenn ich gewonnen hatte, gab es Glücksgefühle ohne Ende. Aber ich musste mir auch immer bewusst sein, dass ich verlieren konnte. Prinzipiell ist es aber so, dass ich nie wirklich etwas gespürt hatte, kaum Emotionen hatte – die Gefühlskurve war und ist immer noch sehr flach. Dem Spiel ist es sehr zuträglich, wenn man keine Emotionen entwickelt. Sonst hätte ich mich ja sicher einmal wahnsinnig geärgert, wenn ich einen großen Betrag verloren habe. Ich wollte auch das ganze Geld, das ich verloren hatte, zurückgewinnen. Ich habe meinen Lohn immer gleich ausgegeben. Es war, als hätte mich eine Hand reingezogen! Es war grauenvoll!

 

Sie haben auch nie überlegt, den Kindern zuliebe aufzuhören?
Nein, nie. Für die Kinder war es natürlich ganz schlecht, die hatten nichts Neues anzuziehen usw. Sie haben definitiv etwas mitbekommen und es ging ihnen nicht gut. Meine Tochter hat sich gleich eine Arbeit gesucht, als sie alt genug war und auch mein Sohn hatte das Glück, sofort eine Lehrstelle zu finden. Meine Tochter ist dann ausgezogen und ich bin mit meinem Sohn nach Lindau gezogen. Er hat sich dort mit ein paar Punks angefreundet und ist in diese Szene gerutscht. Dann ist es zur Katastrophe gekommen.